Ein Bericht von Bernhard Gabriel.

1.) Ötztaler Radmarathon (ÖRM) – Einleitung:

Der ÖRM ist ein Klassiker unter Radsportlern jeden Alters. Viele erreichen das Ziel nicht. Das liegt unter anderem an den 5500 Höhenmetern, die auf insgesamt vier Pässen zu überwinden sind. Von Sölden führt die Strecke durch Tirol nach Italien über die bekannte Hochalpenstraße „Timmelsjoch“, wo eine Seehöhe von 2500 M erreicht wird. Ziel für die ca. 4500 Teilnehmer ist nach 227 KM wieder in Sölden. 15.000 Bewerber versuchten 2024 ihr Glück einen der begehrten Plätze zu bekommen.

2.) Die Idee:

Aus einer Idee, die 6 Triathleten des TTDs wurde schnell ein konkreter Plan. Wir wollten gemeinsam als Team beim ÖRM 2024 am 01.09.2024 an den Start gehen. Ein Radrennen durch Tirol, das zu den anspruchsvollsten überhaupt zählt (227 KM & 5500 Höhenmeter) und sehr beliebt noch dazu. So beliebt, dass wir zusammen mit 15.000 anderen Bewerber kein Losglück hatten. Über fünf Ecken wurde mir ein Einzelstartplatz übertragen. Ich nahm ihn an zu einem Zeitpunkt im Mai 2024, wo völlig aussichtslos war, dass ich 4 Monate später fit sein werde. Hintergrund war eine Knieverletzung, die ich mir im Trainingslager auf Fuerteventura zuzog und die sich hartnäckig über die gesamte Saison nicht bessern sollte. Aus Hochmut über eine gute Platzierung wurde Demut über die Grenzen, die mir mein Körper aufzeigt. Das neue Ziel lautete: Mitfahren und umkehren sobald die Schmerzen beginnen.

3.) Die Vorbereitung:

Ich habe viel probiert, um die Genesung zu beschleunigen. Wahrscheinlich habe ich sie genau dadurch verschleppt. Ein neuer Sattel vom Lidl (15€!) und nach unzähligen Anpassungen auf dem Rad wendete sich das Blatt. Die Schmerzen waren weg. Das Problem: nur noch drei Wochen Zeit hatte ich nun, mich vorzubereiten. Das neue Ziel lautete: Ankommen. Drei qualitative Trainingsfahrten mussten reichen, um wenigstens so zu tun, als hätte ich Höhenmeter gesammelt. Der Austragungsort war zu dem Zeitpunkt natürlich schon völlig ausgebucht für die 4226 Teilnehmer. Ein last minute – Deal im Silbertal Hotel www.almhuette.net stellte sich als Glücksgriff heraus. Sauna, Ruhe, Halbpension und 5:00 Uhr Frühstück.

4.) Das Rennen:

Für den Nachmittag war mit Gewitter zu rechnen auf den Pässen. Die Frage war nur, ob man es vorher ins Ziel schafft. 6:30 Uhr Startschuss. Direkt hinter den Profis rollte ich die ersten 30 Km leicht bergab locker mit. Am ersten Pass (> 1000 Hm) fühlten sich meine Beine etwas verblüfft sogar noch besser an. Das neue Ziel lautete: Trocken ins Ziel kommen. Ohne Training musste man dann schon tief in die Trickkiste greifen. So entschied ich mich nach dem Pass spontan dazu meine Ernährung an meinen ersten und letzten Ironman von 2019 anzupassen. Wieso? Weil das die einzige Erfahrung auf so Distanzen bisher war. Die Hawaii-Quali hab ich da zwar um ein paar Minuten verpasst, aber die Ernährungsstrategie ging ganz gut auf. Der zweite Pass rollte wie der erste. Plötzlich Probleme mit dem Umwerfer. Was wäre auch ein Rennen ohne Hindernisse…Zwei Mal musste ich zum Rad-Service. Wertvolle Minuten, wenn man sich entscheidet im Rennen auf Zeit zu fahren. Nach zwei weiteren Pässen und vielen paradiesischen Verpflegungsstellen kam das Timmelsjoch. 1700 Hm galt es zu überwinden, bevor man mit 100 km/h nach Sölden ins Ziel abfährt. Allein zwei Verpflegungsstellen waren für diesen Anstieg eingerichtet. Die erste der beiden wollte einfach nicht kommen. Ich brüllte um mich:„Wann kommt denn endlich diese sch… Labestation“? Einer überholt mich und kommentierte: „Bernhard Gabriel, alte Vita Fitness Legende“. Ein grinsen zog sich über mein Gesicht bei 8 km/h und 12% Steigung. Motivierender Moment einen ehemaligen Athleten aus Marburger Trainerzeiten an genau dieser schweren Stelle wiederzusehen. Neues Ziel: Dran bleiben!

Tatsächlich blieben wir bis ins Ziel zusammen, das Gewitter kam trotzdem und das natürlich genau in der besagten Abfahrt. Aus 100 km/h wurden 50 km/h und die Abbiegung im Zielsprint habe ich auch aufgrund schlechter Sicht im Regenschauer verpasst. Das war dann auch schon egal nach 9:23 Stunden. Völlig überwältigt, erreichte ich sogar ein paar Minuten schneller das Ziel im Vergleich zum Ironman.


5.) Das Fazit:

Was bleibt, ist totale Begeisterung für dieses perfekte organisierte Rennen und den Radsport insgesamt. Die Atmosphäre entlang der Strecke trägt dich durch diesen langen Tag. Trotz der ganzen Achterbahn im Vorfeld und im Rennen zeigt sich wie wichtig es ist flexibel und spontan zu bleiben und dran zu bleiben. Neues Ziel: Wiederkommen!

Gesamtzeit: 09:23:25

Max. Geschwindigkeit: 102 km/h

Gesamtplatz: 814

Link zum Videoclip: https://t6q6n.app.goo.gl/Ru1om

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