Ein Rennbericht von Jan-Niclas Hofmann. Eines vorweg, dass am Sonntag (29.08.2022) meine Bestzeit fällt und sich gleich mehrere Wünsche erfüllen, hätte ich nicht gedacht. Hier aber die ganze Geschichte.

2021 bin ich, gut im Rennen liegend, bei furchtbaren Bedingungen, durch insgesamt drei Platten zur Aufgabe gezwungen worden. Bis dato sicher mein dunkelster Moment in der 2017 gestarteten Triathlon-Laufbahn. Es folgte eine Laufverletzung im Winter und folgende lange Laufpause im Winter. Gerade einigermaßen auf Kurs für die Hauptrennen im Sommer schlug im Frühjahr 2022 dann auch COVID-19 heftig zu, fesselte mich 9 Tage ans Bett und kostete mich vermutlich ein gutes Abschneiden beim Ironman Frankfurt. Ganz abgesehen davon, dass dort die Verletzung am Fuß wieder durchkam und mir auch noch der Schlauch geplatzt ist. Mit diesem Rucksack ging ich in die finale Vorbereitung für den Ironman 70.3, doch zuvor gönnte ich mir noch 2 Wochen Sommerurlaub mit wenig Training, dafür aber mit viel Genuss, Freundin, Camper & Sonne.

Die Trainingswochen im Juli und August verliefen aber dann recht vielversprechend, bis zu den zwei Wochen vor dem Rennen in denen ich das Training deutlich reduzieren musste, da ich beruflich stark eingespannt war, viel reisen musste und Aufgrund einer wichtigen Angebotsabgabe / Präsentation Schlaf eher zu einem Fremdwort wurde (3-4 Stunden/ Nacht im Wochenschnitt). Unter den Vorzeichen habe ich alle guten Resultate für den IM 70.3 Duisburg eigentlich abgeschrieben. Es sollte ein Finish werden, um zu mindestens das DNF aus dem Vorjahr auszugleichen.

Duisburg ist für alle TTDler praktisch ein Heimrennen und mit über 23 Starterinnen & Startern durften wir auch dieses Jahr wieder die silbernen Badekappen mit Biggest Club Racing tragen, auch wenn es nur der 2nd biggest war 😉 Schon am Vortag beim Rad-Checkin traf man massig Leute aus dem Verein und der Szene, wirklich ein tolles Gefühl an jeder Ecke ein nettes Gespräch führen zu können.

Der Renntag startete wie jeder Morgen mit dem Blick auf die Whoop-Daten, ok nicht gut erholt, Schlaf logischerweise zu kurz, jetzt konnte man daran auch nichts mehr ändern. Also ab an die Siebträgermaschine, Espresso tanken, sechs Honigtoasts runterdrücken und ab ins Auto. Auf dem Weg nach Duisburg haben wir noch schnell Romain eingesammelt.

Ab da läuft meist alles wie im Schlaf, ab zum Rad, Radcomputer, Schuhe und Flaschen befestigen. Sensoren und Reifen ein letztes Mal checken. Ab zum Dixi! Dort habe ich dann noch mitbekommen, dass einem Athleten sein Vorderrad geplatzt war, glücklicherweise hatte ich noch einen Ersatzschlauch im Rucksack dabei, so konnte er sein Rad noch rechtzeitig vorbereiten.

Raus aus der Wechselzone rein in den Neo, von Freunden und der Freundin verabschiedet. Jetzt gibt es keinen Weg zurück, aber wo ist mein Racing Buddy? Wir wollten uns doch vorne im ersten Block treffen. Also habe ich mich spät durch die Startaufstellung gewühlt und Ingmar & Florian F. dann doch noch rechtzeitig gefunden. Wie geplant sind Ingmar und ich genau zeitgleich ins Rennen gegangen, ehrlichweise habe ich aber nicht damit gerechnet ihn an diesem Tag nochmal wiederzusehen.

Das Schwimmen verlief äußerst unspektakulär, vermutlich zu leicht, oder vll. gerade richtig? Ich weiß es nicht, am Ende stieg ich ziemlich fit aus dem Wasser und bewunderte schon eine neue Bestzeit (im Süßwasser) auf der Uhr. 31:13 für 1900m. Den Wechsel habe ich dann versemmelt, aus dem Neo raus, ging es gut, aber der enge Verge wollte nicht so richtig über den Oberkörper, erst das Whoop, dann die Uhr verfingen sich in den Ärmeln, als sich das gelöst hatte ging es dann im Galopp zum Rad. T1 mit 3Min. 10Sek. Sicher keine Glanzleistung.

Auf dem Rad merkte ich ziemlich schnell, dass die Beine da sind wo sie hingehörten. Gemeinsam mit Ryuichiro (ein Athlet, welchen ich aus der Instagram Bubble kennen, den ich schon in Frankfurt auf der Strecke getroffen habe) ging es auf die 90Km. Irgendwie fand ich mich in einer 10-15 Personen starken Gruppe wieder und es wurde gefahren als gäbe es kein Morgen, meine Beine machten den Spaß aber mit. Was ich nicht so spaßig fand war das massige Gelutsche, 12m Windschattenregel, sind 12m und keine 2. In diesen Situationen kann ich leider nicht innehalten und habe die diversen Kollegen erstmal angeschrien, und habe mich aus dem Getummel versucht zu verabschieden, was aber leichter gesagt als getan ist. Bis zu dem Zeitpunkt bin ich im Schnitt gut über 40km/h gefahren bei 240 Watt/NP, also ca. 3,5 Watt/Kg. Um mich aus der Gruppe zu lösen musste ich dann aber einige Minuten über 300 Watt fahren, was für mich weiter über der Schwelle ist. Beim ersten Wendepunkt bei KM 22,5 war es dann soweit, Ingmar kam mir mit nicht allzu großem Abstand entgegen, die 3 Minuten Rückstand vom Schwimmen waren also schon deutlich geschrumpft. Bei KM35 kam es dann zum Zusammenschluss. Ingmar und ich wissen genau wie wir fair zusammen fahren müssen ohne ans Limit zu gehen, ich war aber noch so im Tunnel, dass ich gleich vorbei bin und weiter aufs Gas gedrückt habe. Wie mir Ingmar später erzählt hat, war ihm das aber zu wild, weshalb er sich wieder vor mich gesetzt hat, in der Hoffnung das Ganze auf ein ordentliches Maß zu reduzieren. Ich denke das war ein wichtiger Schlüssel-Moment für das Rennen. Ab da ging es kontrolliert durch das Feld. Verpflegung nach Plan mit gut 110-120g/carb/h. Die 90 Km endeten für mich nach 2h:15min:47 mit einem Avg. von 39.5 Km/h bei 232 Watt NP.

Kurz hinter Ingmar lief ich in die Wechselzone ein, da Ingmar schneller vom Rad kommt als ich stand sein Rad schon im Rack, verwundert stellte ich dann aber Fest, dass auch Ingmar am Urinal stand und ich so zuerst an den Wechselbeuteln ankam.

Relativ synchron ging es auf die Laufstrecke. Für mich war klar, dass ich nicht die Laufform habe um Ingmar’s meist hohe Tempi auf den ersten Kilometern mitzugehen, also habe ich schnell ein Loch entstehen lassen, in der Hoffnung, dass aber Blickkontakt bleibt. Mein Tempo pendelte sich zwischen 4:05 & 4:15 ein und was soll ich sagen, es fühlte sich hervorragend leicht an. Ab da war es für mich das gewohnte Muster, ein Gel pro 5-6 Km, an den Verpflegung-Stellen etwas Wasser nachkippen und einfach weiterlaufen. An dieser Stelle einmal ein großes Danke an alle Supporter! Praktisch an jeder Ecke hörte ich meinen Namen, gab es Anfeuerungen, wirklich toll so vernetzt in dieser Szene zu sein und so viel zurückzubekommen! Das Loch zu Ingmar wuchs zwischenzeitlich auf einige hundert Meter, auf der zweiten von drei Laufrunden konnte ich beobachten, wie Ingmar die Verpflegungs-Stellen etwas langsamer mitnahm, um sich gut zu versorgen, an dieser Stelle keimte eine leise Hoffnung bei mir. Sollte es heute etwa dazu kommen, dass ein lange gehegter Traum wahrwerden sollte? Seit Jahren reden Ingmar und ich darüber, wie toll es wäre einmal ein Rennen gemeinsam zu bestreiten und als Duo auf die Zielgerade einzubiegen.

Gute sechs Kilometer vor dem Ziel kam es dann zum Zusammenschluss. Ab dort ging es Schulter an Schulter, als Freunde, nicht als Konkurrenten Richtung Ziel. Wir verpflegten uns gut und stimmten uns noch ab, dass wir uns hier jetzt nichts mehr zu beweisen haben, nahmen also das Messer aus den Zähnen und steckten es weg. Es folgten die vielleicht schönsten Kilometer, die ich bisher gelaufen bin. Kleine Gespräch, immer wieder Shake-Hands, Freudebekundungen.  Und da war er der rote Teppich, Brillen hoch, Anzüge zu und ab Richtung Zielbogen. Noch ein Abklatschen mit Till Schenk und da war er, der Moment der Genugtuung. Zeitgleich auf die Sekunde überqueren Ingmar und ich die Ziellinie. Bestzeit für beide von uns. 04h:24:41s. Ein erfüllter Traum. Eine gelungene Revenge für das DNF 2021 und die Erkenntnis, dass das noch lange nicht das Ende der Leistungsentwicklung ist, dafür fühlte sich alles viel zu leicht an. Man darf ein Rennen nie aufgeben, bevor man im Ziel ist.

Duisburg, du hast richtig geliefert! Geliefert haben aber auch die anderen TTDler, vom ersten 70.3 Finish bis hin zu zu Fabelzeiten (04h:03:45s – Cayetano) war alles dabei. Was für ein unglaubliches Team. Was für ein sensationeller Tag. Gerne mehr davon!