von Holger Osesek

Es gibt Tage im Leben, da wäre man besser im Bett geblieben. Nach einer verkorksten Saison in 2021 bin ich voller Energie und Motivation in das Jahr 2022 gestartet. Der erste Saisonhöhepunkt sollte die Mitteldistanz auf Lanzarote werden.

Nachdem ich im Januar positiv auf das Corona-Virus getestet wurde und es 16 Tage dauerte, bis der der PCR-Test negativ war, bin ich nicht mehr richtig in Form gekommen. Die HF bei langsamen Läufen war 10 – 15 Schläge höher und beim Rad fahren ging auch im Trainingslager nicht allzu viel. Unser CFO meinte noch, dass ich vielleicht einen Verzicht in Erwägung ziehen sollte. Für mich war dies aber kein Thema. 

Mein Freund Alberto brachte mich am Donnerstagmorgen um 05:30 Uhr zum Flughafen, Flug nach Lanzarote, mit Gepäck und Rad nach Playa Blanca. Eingecheckt, Startunterlagen abgeholt, das rote Startbändchen bekommen und stolz durchs Hotel marschiert. Am Freitag das Rad eingecheckt und am Samstagmorgen um 05:30 mit dem Taxi zum Hafen.

Um 07:10 Uhr ging es ins 18° Grad kalte Wasser, einschwimmen war nicht möglich. Nach der zweiten Wendeboje ging es zurück in den Hafen. Die aufgehende Sonne schien mir direkt ins Gesicht und ich konnte nichts mehr sehen. Meine Schwimmbrille war nicht getönt und ich habe die Orientierung verloren. Ich musste mehrmals anhalten, die Brille abnehmen und mich orientieren. Es hätte mit getönter Brille zwar nicht zur Bestzeit gereicht (21:47), aber 2 – 3 Minuten hätte ich gespart.

Beim Wasserausstieg ausgerutscht. Umgezogen und am Rad vorbeigelaufen. Aufs Rad und jetzt, so dachte ich, greifen wir an. Schon beim ersten Tritt war klar, dass das heute nichts wird. Nach dem Wechsel aufs Rad ging es ca. 6 KM leicht berghoch. Es fühlte sich an, als würden die Beine keinen Sauerstoff bekommen bzw. als hätte ich keinen Gang eingelegt und würde im Leerlauf fahren. Ich dachte mir, das geht vorbei. Kurz vor Timanfaya habe ich abgebrochen (ca. KM 25!) und bin umgekehrt. Ich bin schon deutlich längere Strecken gefahren und habe auch den ein oder anderen Berg erklommen. Heute sollte es aber einfach nicht sein. Das erste Mal, dass ich einen Wettkampf nicht beendet habe. 

Ich dacht mir, hole dir die Wechselbeutel ab und fahre ins Hotel. Bei der Wechselzone angekommen, wurde mir unmissverständlich erklärt, dass die Wechselzone bis 13:00 Uhr geschlossen ist. Das Rad abgestellt, in die nächste Bar und ich bestellte morgens um 09:30 Uhr ein Bier. Die Zeit von 10:00 – 13:00 Uhr habe ich damit verbracht, den anderen Athleten zuzuschauen und mir den Zieleinlauf der Damen und Männer von der Tribüne anzuschauen. 

Um 13:00 Uhr dann endlich in die Wechselzone, jeweils einen Beutel an jeder Seite des Lenkers befestigt und ab ins Hotel. Mein Hotel lag ca. 4Km vom Start entfernt. Ich hatte mir den Helm aufgesetzt, weil in den beiden Beuteln kein Platz mehr war. Ich dachte mir, was für ein Tag.

Als wäre es nicht schon genug gewesen, verfing sich dann bei KM 3 der linke Wechselbeutel in den Speichen und das Vorderrad blockierte. Ich stürzte kopfüber auf den Asphalt. Autos hielten an und es war richtig „Action“ auf der Straße. Ich war sehr dankbar, dass ich meinen Helm aufhatte. Einige Schürfwunden, Prellungen und ein abgebrochener Auflieger war das Ergebnis der ersten Analyse. Ich habe mich bei allen Umstehenden bedankt und versichert, dass es mir gut geht. Das Rad ins Hotel geschoben und mich ins Bett gelegt. Am Abend waren die Hausbar und ich beste Freunde. 

Am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen zum Frühstück. Alle Finisher trugen mit Stolz und Ehre ihr Shirt von der zehnten Auflage des IM 70.3 Lanzarote.