Ein Bericht von Ralf Schön, zu seinem Start beim Ironman Florida.
Die Anreise – Wegen COVID war für Deutsche die direkte Einreise in die USA
wegen des Travel Ban nicht möglich, es sei denn, man verbringt 14 Tage
außerhalb der Europäischen Union in einem Drittland. Ich entschied mich für
Montreal in Kanada, wo ich bereits vor sieben Jahren einmal war, als ich bei
der70.3-WM in Mont-Tremblant teilgenommen habe. Das Wetter war fast wie in
Deutschland, also kühl und herbstlich. Die Stadt bot mir aber auch die
Möglichkeit, auf dem Formel 1 Kurs Jacques Villeneuve, der für Fahrradfahrer
permanent geöffnet ist, zu trainieren. Ich habe in den zwei Wochen des
Aufenthalts zahlreiche Fahrten dort vorgenommen und insgesamt über 100 Runden a
4,2km in Zeitfahrposition gedreht. Auch das Schwimmen ist in den meisten
Schwimmbädern kostenlos und überall sind Leinen gezogen, so dass man herrlich
trainieren kann. Das Laufen entlang des Ottawa oder des St.-Lorenz-Stroms oder
auf dem Berg Mont Royal, nachdem die Stadt benannt ist, war traumhaft.
Der Ort Panama City Beach – Es war mein fünfter Start beim IM Florida, so
wusste ich, was mich erwartet. Anders als man denken könnte, ist das Wetter in
dem im Norden Floridas am Golf von Mexiko mit seinen herrlich weißen Stränden
gelegenen Ort eher gemäßigt. Wenn jedoch der Wind aus Norden vom Kontinent kommt,
kann es empfindlich kalt werden. So auch am Wettkampftag. Morgens wehte ein
strammer Wind mit 40 Km/h von Norden, die Temperatur betrug nur 8°, die
Wassertemperatur circa 20°, tagsüber stieg das Thermometer auf gerade mal 14°
bei trockener Luft und blauem Himmel. Da der Ironman California zwei Wochen
vorher wegen schlechten Wetters abgesagt werden musste, hatte man kurzerhand
nehmen den Profifrauen auch die Profimänner nach Florida eingeladen, unter
anderem auch den 70.3-Weltmeister Gustav Iden, der hier seinen ersten Ironman
absolvieren wollte, und Lionel Sanders.
Das Schwimmen – Der Schwimmkurs bestand aus zwei Schwimmrunden jeweils um
den Pier im Uhrzeigersinn herum, mit einem Landgang am Strand dazwischen.
Aufgrund des starken Windes rechnete ich mit schwierigen Konditionen, aber was
sich im Wasser abspielte, würde in die Geschichte des Ironman eingeben. Ich war
im Schwimmen bestens trainiert und präpariert, habe in sechs Monaten vor dem
Ironman im Schnitt 2h45 pro Woche trainiert, davon meist 1 Stunde mit meinem
Schwimmcoach Christian
Keller. Entsprechend stark war ich unterwegs und überholte unzählige
Athleten. Als ich jedoch nach der ersten Runde auf die Zwischenzeit schaute,
war ich etwas erschrocken denn dort standen 36 Minuten, obwohl ich mir unter
normalen Bedingungen zutraute, die gesamten 3,8km Kilometer unter 1 Stunde zu
schwimmen. War ich etwa zickzack geschwommen, oder waren der Gegenwind, der
Wellengang und die Strömung doch so stark gewesen? Nach einem circa 100 m
langen Lauf am Strand entlang ging es hinein in die zweite Runde. Hier konnte
ich unterwegs schon das ganze Desaster sehen. Viele Schwimmer, die noch auf
ihrer ersten Runde waren, hielten sich bereits an den Bojen fest oder schwammen
Brust, weil sie mit den starken Wellen nicht zurechtkamen. War ich nach der
ersten Runde noch 2. meiner Altersgruppe von circa 288 Athleten, so war ich
dann nach der zweiten Runde in 1h18min als 5. mehr als zufrieden. Wie sich
später herausstellte, war der Schwimmkurs statt 3,8 km 4.250 m lang, da sich
die beiden Eckbojen aufgrund des Windes wohl weiter aufs Meer hinausgeschoben
haben. Das führte dann dazu, dass von den 2.350 Startern ca. 450 die
Cut-off-time fürs Schwimmen von 2h20 nicht erreichten, und vorzeitig das Rennen
beenden mussten.
Das Radfahren – Obwohl mir Kälte beim Radfahren eigentlich liegt, waren die
morgendlichen 8° doch sehr kühl. Während andere sich entschieden, sich mit
Handschuhen, Jacken und Westen zu bewaffnen, habe ich mir kurzerhand eine große
Plastiktüte unter meinen nassen Einteiler gestopft, die den Wind abhielt, ohne
dass es aerodynamisch beeinträchtigt hat. Überhaupt hatte ich beim Bike
verglichen zum letzten Ironman bestimmt 15 Punkte geändert, u. a. ein neuer
Sattel, ein neues Cockpit, sowie viele kleine Details, die ich hier nicht
verraten will. Auf den ersten 32 km habe ich trotz sehr starken Gegenwindes die
mit Abstand schnellste Zeit in meiner Altersgruppe gefahren und war wieder auf
Platz 2. Einige Sätze noch zu meiner Ernährungsstrategie: da ich komplett auf
Produkte von Ministry-of-Nutrition gesetzt habe, mit denen ich mein
Ernährungskonzept ausgefeilt hatte, bin ich an allen Verpflegungsstationen
vorbeigedonnert, habe lediglich an der Special-Needs-Station, wo meine
persönliche Ernährung hinterlegt war, kurz angehalten, um zwei große Flaschen
mit Spezialnahrung auszutauschen. meine aerodynamisch ausgefeilte Sitzposition
konnte ich zu 98 % der Strecke durchhalten, erstmalig. Dadurch habe ich den
Vorsprung auf den Drittplatzierten hinter mir auf über 12 Minuten ausgebaut.
Die letzten 8-10 km habe ich dann bewusst das Tempo herausgenommen und meine
Beine gelockert, um ohne Krämpfe beim Umziehen in der Wechselzone – wie meist
bei früheren Rennen – das Laufen zu beginnen. Die Zeit von 5h11 fürs Radfahren
war zwar 15 Minuten länger als beim letzten Mal hier, aber der Wind war diesmal
auch sehr fordernd gewesen.
Das Laufen – Der Laufkurs bestand aus zwei Runden, jeweils 10,5 km hin und
zurück an der Küstenstraße entlang. Auf der ersten Runde kam mir der spätere
Sieger Gustav Iden und kurz dahinter Lionel Sanders entgegen, so dass ich das
Rennen der Profis quasi live mitverfolgen konnte. Die Profi-Frauen liefen etwas
später auf mich auf und überholten mich dann eine nach der andern in ihrer
zweiten Runde, während ich auf meiner ersten war. Die lief allerdings dann überraschend
gut. Ich konnte den ersten Halbmarathon in 1h45 abschließen und lag damit immer
noch auf Position zwei. In der zweiten Runde musste ich dann zunächst Federn
lassen und verlor an Tempo. Am letzten Wendepunkt pushte ich mich mit einigen
Schluck Red Bull. Das half, denn mittlerweile war ich auf Platz 5 abgerutscht.
Mit einem 8km langen “Endspurt” kämpfte ich mich wieder auf Platz 4
vor und beendete den Marathon in 3h49, eine für mich hervorragende Zeit.
In einer Gesamtzeit von 10h35 beendete ich diesen anspruchsvollen Ironman
als 4. meiner Altersgruppe M50-54, in der 288 Teilnehmer gestartet werden. Da
es fünf Hawaii-Slots in meiner Altersgruppe gab, konnte ich am nächsten Tag bei
der Siegerehrung erleichtert jubeln. Damit ist meine vierte Hawaii-Teilnahme in
2022 besiegelt. Mein gesamter Plan mit vielen Details war aufgegangen.
Insgesamt hatte ich in der Vorbereitung 12 Stunden pro Woche trainiert,
davon 2h45 schwimmen, 5h30 Radfahren und 3h15 laufen sowie 30 Minuten
Stabi-Training.
Glückwunsch zum super Rennen und Hawaii Startplatz 🥳 Interessant zu lesen wie du an das Rennen herangehst und an welchen Parametern du noch weiter feilst 🚀🚀🚀 Großer Motor allein reicht nicht mehr 😉 Mit wem hast du die Sitzposition ausgeklügelt?