Ein Bericht von Sarah Mangler. Ein paar Sätze über ein „besonderes sportliches Event“ zu verfassen kann, wurde ich gefragt. Da gibt es viele! Zum Beispiel meine erste Hitze-Langdistanz 2019. Oder der Stubai-Ultratrail Anfang Juli, mit dem Aufstieg auf den Gletscher auf >3000 ü.NN, bei dem ich für die letzten zwei Kilometer über 45min benötigte und dachte, bei jedem zweiten Schritt aus den Latschen zu kippen. 

Eine ganz besondere Veranstaltung war jedoch der Mauerweglauf, welcher am 14.08. in Berlin stattfand. 100 Meilen, bzw knapp 162km, entlang des alten Grenzverlaufs. 

Zusätzlich zum diesjährigen 60. Jahrestages des Mauerbaus, wird jedes Jahr einem anderen Maueropfer gedacht. In diesem Jahr Dieter Berger, welcher unter Alkoholeinfluss versehentlich in den Grenzstreifen geriet und dort erschossen wurde.

Die Wochen zuvor lag mein Pensum an Wochenkilometern im niedrigen zweistelligen Bereich, da ein im Downhill zugezogener Außenbandanriss erst noch auskuriert werden musste.

Eine  Woche vor dem WK, der Trail-Urlaub war bereits lange zuvor gebucht, ging es dann – Hop oder Top – in die Alpen. Gut, Fuß hielt. Aber erneut kein adäquates Flach- und Langlauftraining.

Daher reiste ich dann mit einem „Hauptsache Ankommen“  in Berlin an. Grob hatte ich mir ein Finish in ~24h vorgenommen. 

Dann war es soweit – Samstag Morgen. Ein Freund und ich waren wahrscheinlich die Letzten, die um kurz vor sechs ihre drei Dropbags in die dafür vorgesehenen Container warfen, bevor es dann zügigst in die Startaufstellung ging. 

6 Uhr, der Startschuss, das Teilnehmerfeld setzte sich in Bewegung. Nur wenige hatten es eilig, der Tag würde ja noch lang genug werden. 

Mit einem Bekannten nahm ich die ersten Kilometer aus dem Cantianstadion heraus unter die ausnahmsweise mal super gedämpften Laufschuhe. Der erste VP bei Km8,6 – Checkpoint Charlie. Eine Schlange vorm Dixie, aber egal, zu viel getrunken am Morgen, also kurz anstehen. Denn im Briefung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Notdurft im nächstgelegenen Gebüsch (und auch das Überlaufen roter Ampeln) eine Disqualifikation nach sich ziehen würden.

Weiter ging es alleine, inzwischen raus aus dem Stadtbereich, es wurde zunehmend grüner. Dann ein Streckenabschnitt parallel zur Autobahn, rechts der Teltowkanal, mit dem Hinweis „7km geradeaus“. Schnurgeradeaus! Mit vielen entgegenkommenden Rennradfahrern, welche ich bei den steigenden Temperaturen um den Fahrtwind zu beneiden begann. Und der Erkenntnis: in Berlin wird anscheinend ausschließlich im Rapha-Ganzkörperoutfit das Pedal geschwungen. 😉

Das Pacing fühlte sich zu dem Zeitpunkt nicht ganz so flüssig an: ich wollte eine Pace zwischen 6:00-6:10min/km anpeilen, jedoch fühlte ich mich damit sehr träge und behäbig. Also nach jedem Kilometer circa 100 zügige Meter eingelegt, trotzdem aber nicht ganz im Flow. 

Glücklicherweise lief ich dann wieder auf meinen Bekannten, mit dem ich gestartet war, auf und übers Quatschen wurde der Laufschritt wieder geschmeidiger. Zwar liefen wir nun zügiger als geplant, haben uns dies aber mit einem „gut, was wir haben, haben wir“ schön geredet.

So vergingen dann Kilometer um Kilometer, es wurde Mittag, dann Nachmittag. 

Bei Km60 befand sich die erste Dropbag-Station, hier füllte ich nur mein Kohlenhydrat-Pulver nach. Und weiter, in wechselnden Gruppen, die Stimmung war gut. Wobei ich beim Laufen eh lieber Anderen zuhöre als selber rede. 

Bei circa Km80 trennten mein Bekannter und ich uns dann, es folgte, nach viel Wald und Grün, ein Stück entlang einer Bundesstraße und durch Siedlungen.

Km90, zweite Dropbag-Station: einmal die komplette Bekleidung und Schuhe gewechselt und die erforderliche Nachtausrüstung (Lampe und Warnweste) verstaut.

Da ich mir auf meiner Uhr die Komplett-Brutto-Durchschnittspace anzeigen ließ, also inklusiveder Stopps an den Ampeln und VPs (und zuvor grob geplant hatte: einen 6er Schnitt für den ersten Marathon, 7er für den Zweiten, acht für Nummer drei, um dann nach Marathon Nummer vier bei einer rund 9er Pace rauszukommen, also den angepeilten 24h), konnte ich mich dann allmählich über ein kleines Zeitpolster für ja wahrscheinlich noch anstehende Gehpausen freuen. 

Gegen 19 Uhr habe ich dann realisiert, dass wenn ich mir für die zu diesen Zeitpunkt noch zu bewältigenden rund 35km Zeit lasse und circa sechs Stunden für diese einplane, ich es noch recht früh, viel früher als geplant, ins Bett schaffen könnte. Was für eine Motivation, statt um sechs oder sieben in der Früh, schon um ein/zwei Uhr die Beine hochlegen zu können! 😉

Also weiter & weiter. Allmählich wurde es etwas zäher, die Blicke auf Uhr wurden häufiger und die Kilometer „länger“.

Ab Km140 dann einige Gehpausen, wobei das wieder Antraben aber doch noch erstaunlich gut funktionierte. 

Km145 – dröhnende Bässe aus der einen Richtung, Konzertstimmung aus der Anderen. Aber nichts Urbanes in Sicht, rein optisch immer noch auf dunklen entlegenen Feldwegen unterwegs. Kurzzeitig die Sorge, mich verlaufen zu haben, „nach müde kommt doof“, die letzten 20/30km war ich komplett alleine unterwegs.

Km150 – immer noch alles, bis auf den Lichtkegel meiner Stirnlampe, um mich herum komplett dunkel. Nur jede Menge Geräusche.

Dann irgendwann, eine Straße, Laternen, Verkehr. Eine Brücke, welche ich von meinem Läufchen tags zuvor wieder erkannte. Ab hier kannte ich den Weg, nur noch drei Kilometer, also durchziehen jetzt! Dann das Stadion in Sicht, hinein in den Außenbereich, dann noch eine finale Runde auf der Bahn. Tartanbahn – dieses Rote zum zügig laufen, da muss doch mindestens eine 4:30er Pace im Display stehen, also los. 😉 300, 200, 100 Meter – geschafft! Erstaunte Gesichter im Ziel – auf eine Zeit von 17 Stunden und 5 Minuten war die erste Frau nur 47 Sekunden vor mir im Ziel. Davon, also diesem geringen Rückstand, wusste ich zuvor allerdings nichts. Und es wäre mir auch egal gewesen. Mein erster 100Meiler! Angekommen, geschafft! Und das Ganze auch noch sieben Stunden zügiger als erwartet. Da war die Platzierung als zweite Frau bei einem internationalen Wettkampf das Sahnetüpfelchen eines super abgelaufenen Laufes! Insgesamt konnten sich fünf Frauen in den Top12 platzieren!

Was nehme ich daraus mit für mich?! 

  1. Einfach mal machen, könnte ja gut werden.
  2. Weniger ist manchmal mehr. Wahrscheinlich bin ich (ungewollt) selten erholter irgendwo an den Start gegangen.
  3. Zitat & Mantra einer guten Freundin: LAUFEN MACHT SPAAAASS!